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Sollen auch Bewerber bei der internen Meldestelle Hinweise erteilen dürfen?

Expertenfragen zum Hinweisgeberschutzgesetz


1. Frage: Fallen Bewerber unter den Beschäftigungsbegriff laut HinSchG?

Eine wirklich spannende Thematik. Der Wortlaut des Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) spricht in der Tat dafür, dass Bewerber grundsätzlich nicht unter den Beschäftigtenbegriff fallen und sich daher auch nicht an interne Meldestelle wenden können sollen. Dies widerspricht auch nicht unmittelbar dem persönlichen Anwendungsbereich gem. § 1 Abs. 1 HinSchG, der unstreitig Bewerber mit umfasst, denn Bewerber können sich ja noch immer an externe Meldestellen wenden. Zudem bleibt es Beschäftigungsgebern unbenommen ihre internen Meldestellen so zu gestalten, dass sie auch Bewerbern offenstehen, § 16 Abs. 1 HinSchG. In diesen Fällen greift dann auch das Gesetz zum Schutz des Bewerbers als Hinweisgeber.


2. Frage: Inwiefern bezieht die Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) Bewerber als Hinweisgeber ein?

Der Wortlaut der Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937), die durch das HinSchG umgesetzt wurde, spricht ebenfalls gegen die grundsätzliche Einbeziehung von Bewerbern als Hinweisgeber an interne Meldestellen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie muss Arbeitnehmern die Meldung von Information über Verstöße ermöglicht werden. Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit a der Richtline gilt die Richtlinie für Arbeitnehmer i.S. des Art. 45 Abs. 1 AEUV. In Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie wird der persönliche Anwendungsbereich erweitert auf Hinweisgeber deren Arbeitsverhältnis noch nicht begonnen hat und die während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Verhandlungen Informationen über Verstöße erlangt haben. Daraus kann gefolgert werden, dass nach der Richtlinie Bewerber zwar grundsätzlich nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fallen, aber dennoch geschützt werden sollen.


Im Rahmen der internen Meldestelle, sollen indes nicht nur Arbeitnehmer melden können, sondern auch andere in Art. 4 festgelegte Gruppen, wie etwa gem. Abs. 1 lit b Selbstständige oder gem. Abs. 2 Hinweisgeber, die Informationen über Verstöße melden oder offenlegen, von denen sie im Rahmen eines inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisses Kenntnis erlangt haben. Nicht genannt wird dagegen Abs. 3, also die Gruppe der Bewerber.


Ob dieses Ergebnis mit dem Schutzzweck der Norm vereinbar ist, kann allerdings durchaus angezweifelt werden, bedenkt man, dass etwa im Erwägungsgrund 39 der Richtlinie der Schutz von Bewerbern vor arbeitsrechtlichen Repressalien explizit aufgeführt wird. Ein Schutz vor Repressalien, der aber ja insbesondere in dem Fall besonders relevant würde, in dem der Bewerber sich an eine interne Meldestelle des zukünftigen Arbeitgebers wandte.


Auch das Argument aus dem Aufsatz, wonach eine europarechtskonforme Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs durchaus auch Bewerber umfasse könnte, wie Art.45 Ab. 3 lit a AEUV nahelegt, lässt sich durchaus hören.


 3. Frage: Was bedeutet das für die Umsetzung im Unternehmen?


📣 Solange es hier noch keine Rechtsprechung gibt und die juristische Literatur die Thematik erst noch erschließen muss, ist es schwer hier eine eindeutige Antwort zu geben, wie Unternehmen ihre internen Meldestellen im Bezug auf hinweisgebende Bewerber gestallten sollte. 

📣 Vorerst auf der sicheren Seite ist man jedenfalls, wenn man auch Bewerbern erlaubt Hinweise bei der internen Meldestelle zu geben. 

📣 Gleiches gilt für die Informationen über die interne Meldestelle. Erwägungsgrund 59 der Hinweisgeberschutzrichtlinie sagt dazu:

📣 „Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden wollen, sollten eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob, wann und auf welche Weise sie Meldung erstatten. Juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors, die über interne Meldeverfahren verfügen, sollten Informationen zu diesen Verfahren sowie über externe Meldeverfahren an die jeweils zuständigen Behörden bereitstellen müssen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass diese Informationen klar und leicht zugänglich sind, und zwar — soweit möglich — auch für Personen, die nicht Arbeitnehmer des Unternehmens sind, die aber aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt treten…“ 


🔔 Damit ist gut begründet, dass auch Bewerber berechtigt sein sollten, zu melden. 🔔


Erfahren Sie hier mehr zum Aufbau und Betrieb eines Hinweisgebersystems



Hinweisgeberschutzgesetz für Bewerber
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